Der Wecker weckt mich nach einer schlecht geschlafenen Nacht um 6:30h. Schlaftrunken quäle ich mich aus dem warmen Bett und begebe mich zähneklappernd in das eiskalte Bad. Von warmem Wasser kann ich mal wieder nur träumen... Aber heute geht es ja bergab, und somit sollte es auch spürbar wärmer werden. Nach den wenig erfolgreichen Restaurationsarbeiten packe ich meine Tasche fertig, zahle die noch offene Rechnung und warte auf mein Taxi zum Busbahnhof. Das kommt schließlich, aber der Taxifahrer will das Taxameter erst nach Überzeugungsarbeit einschalten. Er meint, der Festpreis von 15.000 kolumbianischen Pesos wäre besser - für ihn, wie sich bei der Ankunft am riesigen Busbahnhof wenig überraschend beim Blick auf den Taxameter herausstellt - immerhin 4000 Pesos (€ 2,30) gespart! Dann harre ich der Abfahrt meines Busses ins ca. 600km südlich liegende Pitalito. Mit 25 Minuten Verspätung fahren wir los. Zu meiner Überraschung wird hier auch im Luxusbus verkauft. Ein schmierig-ungepflegt aussehender Mann erzählt eine herzzereißende Geschichte und verhökert dann chinesische Kopien diverser Sonnenbrillen, Kameras und ähnlichem. Selbst die nicht interessierten (und das sind wenige!) bleiben äußerst höflich. 70 Minuten später - wir kommen gerade an Bogotás Südterminal an! - steigt der Verkäufer aus und viele Fahrgäste ein. Schließlich ist der wirklich bequeme Bus bis auf den letzten Platz belegt. Langsam fahren wir südwärts und es wird draußen nach der Kleidung der Menschen in den wenigen Orten zu urteilen deutlich wärmer. Nur im Bus herrschen wahre Eisschranktemperaturen. Gott sei Dank ist das nicht meine erste Busreise in Südamerika und so habe ich mich entsprechend in Fleecepulli und Jacke gewickelt, doch trotzdem ist mir eiskalt. Nach 6 Stunden (es hätte ja eigentlich nur 4 1/2 dauern sollen), erreichen wir die erste und letzte große Stadt der Fahrt, Neiva. Ein Thermometer zeigt 38°C an, doch leider ist davon drinnen nichts zu spüren. Knapp zwei Stunden später als eigentlich geplant komme ich dann in Pitalito an. Hier wartet bereits José, ein Freund von Freunden, der sich selbstlos bereit erklärt hat, mir die archäologischen Wunder von San Agustín in seinem Heimatdepartement Huila näherzubringen. Gerade noch rechtzeitig erwischen wir einen Campero, ein Pickup mit Sitzen auf der Ladefläche, der uns in halsbrecherischem Tempo in 40 Minuten nach San Agustín und gleich weiter zu unserem abgelegenen Hotel auf einem Hügel hoch über dem Ort bringt. Auf der Fahrt lernen José und ich mich ein wenig kennen und dann gibt´s noch ein gemeinsames Club Colombiano-Bier auf der Terrasse. Zu allem Überfluß schenkt mir José noch einen original Poncho aus seiner Heimatregion... steht mir ausgezeichnet, oder?
Am nächsten Morgen treffen wir uns um 8 zum Frühstück. Es gibt Rührei, Brot, Arepa (ein Maisfladen), frischen Orangensaft und guten, starken einheimischen Kaffee. Derart gestärkt machen wir uns auf den 3km langen Weg zum archäologischen Park der geheimnisvollen San Agustín-Kultur, die tausende Jahre die Gegend beherrscht hat. In der Hochzeit (zwischen 1. und 10. Jh) wurden die Gräber mit mystischen und mythischen Statuen versehen, für die die Region bis heute bekannt ist. Seit 1995 ist San Agustín sogar Weltkulturerbe der UNESCO. Im Park führt ein schweißtreibender 4km langer, wunderschön angelegter Rundweg zu den unterschiedlichen Fundorten - so mancher Höhenmeter ist hierbei zurückzulegen. Aber die Mühe lohnt sich, und die frühlingshaften Temperaturen sind ideal für die Erkundung.
Die Landschaft rund um San Agustín ist sehr idyllisch. |
Im Anschluss an den Rundweg besuchen wir das kleine aber feine Museum und den schönen Bosque de las estatuas, 39 originale Statuen, die im dichten Sekundärwald stimmungsvoll aufgestellt wurden.
José und ich im Bosque de las estatuas |
Dieser Schmetterling war ganz verrückt nach mir und hat mich regelrecht verfolgt! |
Zurück ins Städtchen nehmen wir dieses Mal den Colectivo. San Agustín ist ein deutlich indianisch geprägter Ort, der freundlich und ruhig wirkt. Andere Gringos muß man mit der Lupe suchen.
Nach einem kurzen Mittagessen für José (Hühnerfuß-Brühe, mmmh!) verhandeln wir mit einem Taxifahrer, für wie viel er uns zu verschiedenen Orten in der Umgebung fährt. Schließlich sind wir uns einig und los geht´s. Erster Halt (neben einem Internetstop für José am Hotel) ist der Río Magdalena, Kolumbiens bei weitem wichtigster und mit 1500km einer der längsten Flüsse. Zuerst halten wir auf einer Brücke in der Schlucht des Magdalena, danach fahren wir weiter an die engste Stelle des Flusses - nur knapp 2 Meter breit ist hier die Öffnung im Fels, durch die der Fluss hier mit ungezügelter Kraft donnert.
Schlucht des Río Magdalena |
Als nächstes steuern wir ein weiteres Zeugnis der San Agustín-Kultur an - hoch über dem Canyon des Río Magdalena liegt der mysteriöse Orte La Chaquira (nicht verwandt mit der kolumbianischen Sängerin Shakira), wo in einem Felsen mehrere Figuren detailliert eingeritzt wurden. Um dorthin zu gelangen, müssen José und ich aber erst einmal ein gutes Stück, ca. 25 Minuten, einen schlammigen Feldweg entlanglaufen. Entlohnt werden wir durch die schöne Flora - vor allem die wilden Orchideen begeistern uns beide (denn José hat daheim einen ganzen Garten voller Orchideen und ich habe ja immerhin zwei Stöcke im Wohnzimmer...).
Weg nach La Chaquira |
Recht erschöpft schleppen wir uns die vielen Stufen und den langen Weg zurück zu Mauricio und seinem kleinen Taxi und fahren kurz vor Sonnenuntergang zu unserem letzten Stop - die Stelen von El Tablón. Auch hier ist das Gelände alles andere als eben. Zurück im Dorf kaufe ich noch mein Busticket nach Popayán. Da wir heute und morgen das Meiste gesehen haben werden, beschließe ich der weißen Kolonialstadt einen Tag mehr als geplant zu widmen und San Agustín einen Tag früher zu verlassen. Außerdem machen wir noch einen Fahrer für morgen klar und dann noch essen - Hähnchenbrust und selbstgemachte Pommes Frittes, dazu einen frischen Mangosaft - und über den Beamer wird das Fußballspiel der U21-WM Kolumbien gegen Costa Rica an die Wand geworfen. Nach einem knappen und spannenden Sieg der Gastgeber (wer den Blog bisher aufmerksam gelesen hat weiß bescheid) schleppen wir uns die letzte 30%ige Steigung des Tages in der Finsterniss hinauf zum Hotel und fallen sofort in unsere Betten.
Am nächsten Morgen um 6.30h stehe ich auf und mache mich fertig. Kurz nach sieben treffen wir uns zum Frühstück (siehe oben) und warten auf unseren Chauffeur. Der kommt dann auch, verstaut unser Gepäck im Jeep und kriegt dann den Schlüssel nicht mehr aus dem Schloss der Heckklappe. Erst mit roher Gewalt bekommt er den Schlüssel wieder aus dem nun kaputten Schloss, aber mit ein bißchen Improvisation geht alles. Wir fahren zuerst zu einem schönen Wasserfall, dem knapp 190 Meter hohen Salto del Mortiño - die Aussichtsplattform würde der TÜV wohl nicht mehr abnehmen, aber wir trauen uns trotzdem beide drauf - und vermeiden es tunlichst, uns irgendwo anzulehnen.
Der nächste Stop heiß Alto de los Ídolos und liegt in der Nähe der Kleinstadt San José de Isnos. In einer herrlichen Umgebung (wie immer mit ordentlich Steigung!) liegen hier mehrere ausgegrabene, zum Teil restaurierte Gräber, die zumeist von den typischen Figuren der sanagustinischen Kultur bewacht werden.
Dann geht es auf dem schnellsten Weg wieder zurück in das 20 Kilometer entfernte San Agustín - wobei schnell bei der hiesigen Topographie relativ ist. Dort angekommen steigt José in einen Campero nach Pitalito, wo er einen Bus heim nach La Plata nimmt, weil er heute noch in der Arbeit vorbeischauen muss. Ich spaziere noch einmal durch den Ort und setze mich ein wenig in die Sonne, bevor auch ich per Privat-Campero zum 5km entfernten Abfahrtsort meines Busses ins 130 km entfernte Popayán gebracht werde. Der Bus kommt mal wieder zu spät und für meine Tasche ist dann noch Platz im Gepäckraum, in dem sich bereits ein Huhn und mehrere sich verdächtig bewegende Plastikbeutel befinden. Na, hoffentlich sch... das Huhn nicht auf meine schöne Tasche...
Die Fahrt ist sehr rauh und holprig, denn auf einer Schlammpiste geht es hinauf in den Nebelwald bis in den Páramo auf bald 4000 m Höhe. Vor allem im Nebelwald sind viele ein wenig angespannt, denn wir befinden uns in einem Guerrilla-Einzugsgebiet, auch wenn es schon lange nicht mehr zu einem Überfall gekommen ist. Nach knapp 3 1/2 Stunden tauchen dann in unwirtlicher Gegend die ersten armseligen Häuser auf und dann fahren wir im letzten Tageslicht durch eine fantastische Landschaft mit steilen, aber rund geformten kleinen Bergrücken (die Kühe dort müssen längere und kürzere Beine haben, anders können die sich niemals an den Hängen mit 60-80 % Steigung nicht halten - schlicht und ergreifend unglaublich). So eine Landschaft habe ich noch nie gesehen. Schließlich, nach knapp 5 Stunden Fahrt, erreichen wir unversehrt Popayán und mit dem Taxi bin ich in wenigen Minuten in meinem Zuhause auf Zeit - ich habe ein riesiges Zimmer mit Bad und extra Aussichtszimmer für mich und genieße die Ruhe bei einem Club Colombia - wobei die Innenstadtlage manche Lärmbelästigung mit sich bringt, aber das kenne ich ja von zuhause!